Geschichte der Ofenstadt
Das einstige Angerdorf Velten, erstmals 1350 urkundlich erwähnt, wurde im 19. Jahrhundert weit über die regionalen Grenzen hinaus durch den Handel mit Kacheln für die Öfen der nahen Großstadt Berlin berühmt. Reichhaltige Tonvorkommen rund um Velten machten dies möglich. Schon im Jahr 1835 ließ der Maurerpolier Johann Ackermann die erste Ofenkachelfabrik erbauen.
Durch die Erfindung der weißen Schmelzglasur wurde die „Veltener Kachel“ zu einem Weltbegriff. Die Veltener Öfen waren sehr beliebt und die Nachfrage wuchs, so dass sich Velten von Jahr zu Jahr vergrößerte. Lebten um 1800 lediglich 300 Menschen im Ort, so waren es 100 Jahre später rund 7.000 Einwohnerinnen und Einwohner. 1905 befand sich Velten auf dem Höhepunkt seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Es gab 42 Ofenfabriken und Ziegeleien mit mehr als 2.000 Beschäftigten. 162 Fabrik-Schlote ragten in den Veltener Himmel. Der wirtschaftliche Höhepunkt war mit einer jährlichen Produktion von 100.000 Kachelöfen erreicht, die Wohnungen im In- und Ausland wärmten.
Einen kompakten Überblick über die rasante und einmalige Entwicklung Veltens im 19. Jahrhundert vom unbedeutenden Angerdorf zum Weltmarktführer für Ofenkacheln bieten die fünf Info-Stelen in der Museumsgasse, gegenüber der Ofen- und Keramikmussen Velten, Wilhelmstraße 32/33. Sie bilden den Auftakt für den historischen Stadtrundgang "Veltener Töppertour", der 2024 umgesetzt wird.
Nach der Ofenkachelproduktion
Mit dem Niedergang der Ofenkachelproduktion Anfang des 20. Jahrhunderts erschlossen sich viele Ofenfabrikaten ein neues Geschäftsfeld. Bau-, Gefäß- und Zierkeramik, hergestellt in den Veltener Fabriken, findet sich noch heute auf der gesamten Welt an und in Gebäuden. Zeugnisse Veltener Baukeramik lassen sich am Berliner S-Bahnhof "Hackescher Markt" ebenso bewundern wie an der Berliner Karl-Marx-Allee. Und sogar im Bundespräsidialamt finden sich Wandkeramiken, die aus einer Veltener Manufaktur stammen.
Bei einem Rundgang durch unsere Stadt zeugen noch heute die prachtvollen Töppervillen, die Wohnhäuser der ehemaligen Ofenfabrikanten, vom einstigen „Veltener Wirtschaftswunder“.
Während die Industrialisierung Veltens voranschritt, wuchs auch die Infrastruktur. Im Jahr 1893 wurde Velten mittels Kremmener Bahn an das Eisenbahnnetz angeschlossen. 1910 legte man einen Stichkanal zur Havel an, der Voraussetzung für den noch heute arbeitenden Industriehafen war. Es siedelten sich Eisenfabriken, Gießereien, Steingutfabriken, Chemie- und Sägewerke an und ließen die Einwohnerzahl Veltens auf rund 9.000 anwachsen.
Am 16. März 1927 erreichte die erste S-Bahn vom Stettiner Bahnhof in Berlin den Veltener Bahnhof. Das Stadtrecht bekam Velten im Jahr 1935 verliehen.
Zu Beginn des Nationalsozialismus wurde im Meisnershof im Forstbezirk Hohenschöpping ein frühes Konzentrationslager eingerichtet, das zur Verschleierung des brutalen Umgangs mit den dort inhaftierten politischen Gefangenen als „Fahrschule der SA“ bezeichnet wurde. Ende 1933 wurde es aufgelöst und die Gefangenen in das Konzentrationslager Oranienburg überführt. Seit März 1943 existierte in Velten außerdem ein Außenlager des Konzentrationslagers Ravensbrück mit bis zu 722 Frauen, an das heute eine Gedenkstele erinnert. Die weiblichen Inhaftierten mussten Zwangsarbeit in Veltener Betrieben verrichten.
Nach Kriegsende
Nach dem Kriegsende demontierten die sowjetischen Besatzer den größten keramischen Betrieb im Stadtgebiet, die Veltag. Alle Betriebe wurden enteignet und anschließend in Volkseigene Betriebe (VEB) umgewandelt. Der Mauerbau durchschnitt auch die Bahnverbindung nach Berlin. Dem größten Problem jener Zeit, der Wohnungsnot, begegnete man mit dem Bau von Wohnblöcken, die noch heute das Bild der Veltener Innenstadt prägen. In den 1980er-Jahren entstand das in Plattenbauweise errichtete Wohngebiet Velten Süd.
Nach der politischen Wende entstanden neben mehreren neuen Wohnsiedlungen mit Ein- und Mehrfamilienhäusern ein neuer Marktplatz und ein Gymnasium. Heute gehört die Ofenstadt, wie sich Velten seit 2015 auch ganz offiziell nennen darf, zum Landkreis Oberhavel und bildet gemeinsam mit den nahen Städten Oranienburg und Hennigsdorf einen der erfolgreichsten Wachstumskerne im ganzen Land Brandenburg.
Aktuell produziert zwar nur noch eine Ofenkachelfabrik vor Ort. Doch Velten hat es sich zur Aufgabe gemacht, das historische und kulturelle Erbe der Ofenstadt zu erhalten und zu pflegen. So ist die Stadt Mitglied im Verband Deutscher Keramikstädte. Das keramische Erbe spiegelt sich außerdem an vielen Punkten im Ortsbild wider: ob in reich mit Keramiken verzierten Fassaden, im Stadtmobiliar oder auch auf Spielplätzen.
Das renommierte Ofen- und Keramikmuseum Velten wahrt den Ruf der Stadt als „Ofenstadt Velten“ bis heute. Das Museum befindet sich unter dem Dach einer bis vor wenigen Jahren noch produzierenden Ofenfabrik, welche seit 1872 Kacheln herstellte.
Ergänzt wird das Ofen- und Keramikmuseum seit 2015 um das moderne Hedwig Bollhagen Museum, das den künstlerischen Nachlass der berühmten Keramikerin Hedwig Bollhagen (1907 bis 2001) zeigt.