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„Sparen hilft uns in diesem Winter weiter“

Veltens Stadtwerke-Chef Michael Kühne spricht im Interview über Energiepreise, die Vorbereitung auf eine mögliche Gasmangel-Lage und warum Energiesparen aktuell wichtig ist.

Herr Kühne, können Sie angesichts der Energiekrise nachts noch schlafen?

Michael Kühne: Na, sagen wir es mal so, ich habe schon besser geschlafen. Der russische Lieferstopp beim Erdgas und die Abhängigkeit von alten französischen Kernkraftwerken lassen mich etwas sorgenvoller in den kommenden Winter schauen als sonst. Die Lage ist einfach sehr komplex. Sie hängt zudem sehr davon ab, wie sich das Wetter, also zum Beispiel die Temperaturen und der Wind, entwickeln und ob wir es schaffen, genug Energie zu sparen.

Bild vergrößern: Stadtwerke-Chef Michael Kühne. © Stadt Velten
Stadtwerke-Chef Michael Kühne.

Wieso ist das Energiesparen so wichtig?

Michael Kühne: Sparen hilft in diesem Winter weiter, weil es beide Systeme, also sowohl das Strom- als auch das Gasnetz, stabilisieren würde. Die Ressource Energie ist einfach endlich, und die beste und billigste Energie ist immer noch die, die nicht erzeugt werden muss. Ich rate dazu, sich vor allem die großen wärmeerzeugenden Energiefresser wie den Trockner anzusehen und hier einzusparen, das bringt einfach am meisten. Und es ist mittlerweile ja auch eine Preisfrage.

Normalerweise müssten Sie sich als Geschäftsführer von Stadtwerken über einen Mehrverbrauch freuen.

Michael Kühne: Das stimmt, aber in der aktuellen Lage ist mir als Geschäftsführer einer kommunalen Gesellschaft die Versorgungssicherheit wichtiger als die Rendite. Mich beschäftigt auch, dass die Einkaufspreise für Strom und Gas so hoch sind, dass wir zumindest beim Strom kaum die niedrigen Preise der letzten Jahre halten können. Dem wollen wir über eine Mischkalkulation und Mehrjahresverträge die Spitze nehmen, denn der Preis ist vor allem für 2023 extrem hoch, danach sinkt er wieder. Hier kommen natürlich auch die Stadtwerke in ein großes, wirtschaftliches Risiko, wenn wir nicht entsprechend gegensteuern.

Wie bereiten sich denn die Stadtwerke auf eine mögliche Gasmangel-Lage vor?

Michael Kühne: Wir haben bereits im September unsere Heizöltanks aufgefüllt, um in einem solchen Fall unsere Fernwärmeproduktion umzustellen und sowohl das Strom- als auch das Gasnetz zu entlasten. So könnten wir immerhin 60 Prozent der Haushalte in Velten mehrere Wochen lang mit Fernwärme versorgen. Sollte eine Mangellage eintreten, wäre zunächst die Bundesnetzagentur am Schalter und würde im ersten Schritt die deutschlandweit größten Gasverbraucher, also rund 2.500 Großindustrieunternehmen, vom Netz nehmen. Das würde kurzfristig die Hälfte des Gasverbrauches einsparen. Haushaltskunden gelten als geschützte Kunden und wären erst zuletzt betroffen. Das wäre für uns als Stadtwerke jedoch der technisch schwierigste Fall, denn das Hochfahren würde Wochen dauern, weil jeder Haushalt händisch wieder ans Netz gebracht werden müsste.

Nun gibt es viele Menschen, die sich Heizlüfter anschaffen, um für einen solchen Fall gerüstet zu sein. Hält unser Stromnetz das aus?

Michael Kühne: Im günstigsten Fall kommt schon die Haussicherung, wenn es eine Überlastung gibt, im ungünstigsten Fall kann auch mal eine ganze Trafostation, also etwa ein halbes Wohngebiet, von einem kurzzeitigen Stromausfall betroffen sein. Hier können wir über den Netzbetreiber mit größeren Notstromaggregaten helfen. Ein großflächiger, mehrtägiger Stromausfall wäre jedoch für die Bevölkerung einschneidender. Einen kleinen Notvorrat an Wasser und Lebensmitteln sollte deshalb jeder zu Hause haben. Wir haben das sicherste Stromnetz der Welt, und alle Energieversorger werden wie bisher alles dafür tun, diesen Fall zu verhindern, aber ausschließen können wir ihn nicht. Wir bereiten uns in Velten auf jeden Fall vorsorglich gemeinsam mit Stadt und Feuerwehr vor – in der Hoffnung, dass wir die Pläne dafür nie benötigen.

November 2022