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Datum: 27.10.2023

Interview: "Nichts liegt uns ferner, als Familien den Alltag zu erschweren"

Das neue Schuljahr hat begonnen und damit für viele Kinder und Eltern ein neuer Lebensabschnitt mit der Grundschule und dem Hortbesuch. Das ist aufregend und mitunter auch zeitlich herausfordernd. Etwa wenn Familien ihre Kinder in verschiedenen Grundschulen einschulen müssen. So wie in diesem neuen Schuljahr, in dem einigen Familien in Überschneidungsgebieten ausschließlich an der Löwenzahn Grundschule ein Platz in Schule und Hort angeboten werden konnte. Das sorgte bei den betroffenen Familien teilweise für Unmut. Aber wie ist die Betreuungslage für Kinder in Velten tatsächlich? Fragen an Veltens Sozialamtsleiterin Jennifer Collin-Feeder, deren Team sich um die Kita-, Schul- und Hortplätze kümmert.

Frau Collin-Feeder, wie viele Einschülerinnen und Einschüler gibt es in diesem Jahr in der Ofenstadt?

Wir haben zwei Grundschulen vor Ort. An der Linden-Grundschule in der Stadtmitte wurden 61 Kinder eingeschult. In Velten Süd in der Löwenzahn Grundschule waren es 80 Kinder.

Ist das eine besonders hohe Zahl für Velten?

Velten ist mit rund 13.200 Menschen eine wachsende Stadt mit vielen jungen Familien. Wir hatten im vorigen Jahr mit 159 Einschülerinnen und Einschülern einen deutlichen Höhepunkt im Vergleich zu den Vorjahren zu verzeichnen. Die 141 Kinder in diesem Jahr kratzen damit wieder an der bisherigen Höchstmarke.

Konnte die Stadt allen 141 Kindern den von den Eltern gewünschten Schulplatz zur Verfügung stellen?

Wir konnten allen Kindern einen Schulplatz anbieten. Die beiden Grundschulen haben ihren eigenen Einzugsbereich, der in der Veltener Schulbezirkssatzung festgeschrieben ist. Die jeweilige Zuordnung richtet sich nach der Entfernung der Wohnung zum Schulstandort. Außerdem gibt es Überschneidungsgebiete wie Velten Grün.

Was bedeuten Überschneidungsgebiete?

In den Überschneidungsgebieten ist der Weg zu beiden Schulen in etwa gleich weit, so dass es keine festgelegte Schule gibt. Hier entscheiden die Grundschulen gemeinsam mit der Stadtverwaltung, welche Schule diese Kinder besuchen. Welche Schule die Kinder aus dem Überschneidungsgebiet aufnimmt, hängt von der Aufnahmekapazität ab. Wichtige Faktoren sind dabei etwa, welche Räume durch die ehemaligen Sechstklässler freigezogen werden und wie stark der Geburtenjahrgang ist. In diesem Jahr sind die ersten Klassen der Linden-Grundschule zum Beispiel aufgrund der hohen Schülerzahlen komplett mit Kindern aus dem eigenen Zuständigkeitsbereich belegt.

Was heißt das für Eltern aus Überschneidungsgebieten?

Wir konnten dem Wunsch nach der Linden-Grundschule für Kinder aus Überscheidungsgebieten in diesem Jahr leider nicht nachkommen. Auch eine weitere erste Klasse an der Linde zu eröffnen – wie im Vorjahr – war aufgrund fehlender Räume nicht möglich. Zumal nicht die Stadt alleine über eine weitere Klasse entscheidet, sondern vorrangig das Staatliche Schulamt. Also wurden diese Kinder der Löwenzahn Grundschule zugeordnet, da hier noch ausreichend Kapazitäten vorhanden sind.

Das ist für Eltern, die bereits ein Kind auf der „Linde“ haben, aber eine logistische Herausforderung im Alltag!

Ja, aus Elternsicht ist das keine befriedigende Lösung, zwei Schulen ansteuern zu müssen. Das kann ich als Mutter sehr gut nachvollziehen. Wir hätten sehr gern allen Familien ihren Wunsch erfüllt. Nichts liegt uns ferner, als Familien den Alltag zu erschweren.

Gibt es für die betroffenen Eltern eine Chance, die Schule noch zu wechseln?

Sieben Familien haben in diesem Jahr einen Antrag auf Schulwechsel gestellt. Eltern können beim Schulamt einen Antrag auf Schulwechsel stellen. Positiv kann dieser beschieden werden, wenn genügend freie Plätze vorhanden sind und/oder sehr triftige Gründe vorliegen.

Wie sieht es in diesem Jahr mit den Hortplätzen aus?

Wir hatten 141 Hort-Anträge und konnten bisher 126 Plätze vergeben. Kindern aus den Überschneidungsgebieten haben wir – eben in diesem Jahr an der Löwenzahn Grundschule – einen Hortplatz anbieten können. Aufgrund der erhöhten Kinderzahlen an der Linden-Grundschule hat auch der dazugehörige Hort der „Villa Regenbogen“ seine Kapazitäten aktuell voll ausgeschöpft. Hier konnten wir zum Start des Schuljahres leider acht Kindern zunächst keinen Platz anbieten. Um möglichst vielen Kindern einen Hortbesuch zu ermöglichen, wurden in der „Villa“ Kita-Plätze zugunsten des Hortes umgewidmet. Kita-Plätze, die ebenfalls in Velten stark nachgefragt sind, gehen dadurch nicht verloren! Aktuell bemühen wir uns stark um eine Kapazitätserweiterung, so dass vermutlich ab Herbst weitere Kinder aufgenommen werden können. Ich gehe davon aus, dass dann der aktuelle Bedarf an Hortplätzen der Linden-Grundschule gedeckt ist. Mit Fertigstellung des Erweiterungsbaus der Löwenzahn Grundschule kann dort anschließend auch die Kapazität des Hortes deutlich erhöht werden, so dass auch hier alle Kinder versorgt werden können.

Haben die Eltern rechtzeitig erfahren, wenn sie keinen Platz erhalten haben?
Mein Team aus der Kitaverwaltung hat sich nach Kräften bemüht, die Anträge zu bearbeiten. Allerdings müssen wir uns eingestehen, dass wir hier noch besser werden müssen. Der massive Anstieg von Bearbeitungsvorgängen durch mehrere Gesetzesänderungen, aber auch interne Prozessabläufe haben zu Verzögerungen geführt, für die ich mich entschuldige. Es ist für die Eltern kein Zustand, im Ungewissen gelassen zu werden. Wir arbeiten an Lösungen, etwa mit der Einführung einer digitalen Antragsmöglichkeit, um hier künftig schneller und effizienter reagieren zu können.

Ist dieser Engpass bei den Schul- und Hort-Plätzen eine Fehlplanung der Stadtverwaltung? Ist es nicht im Vorfeld absehbar, wie viele Schulplätze benötigt werden?

Unsere Kita- und Schulbedarfsplanung kann immer nur eine Prognose abgeben. Letztendlich ist es vergleichbar mit dem Blick in die Glaskugel. Wir haben schon eine großzügige Prognose geplant, aber wir merken, dass die angesetzten zwei Kinder pro Familie nicht mehr der Standard sind. Viele zugezogene Familien bekommen hier weitere Kinder. Deshalb sind wir schon dabei, neue Schul- und Kita-Plätze zu schaffen, etwa in der Mühlenstraße mit dem Kita-Neubau für 80 Kinder durch einen privaten Träger. Aber das Bauen dauert leider. Immerhin haben wir durch die jüngsten Investitionen in die Schulen nicht nur neue Plätze, sondern auch ein tolles Lernumfeld geschaffen – sowohl in der Innenstadt als auch in Velten Süd.

In Velten sind weitere Wohngebiete wie an der Kremmener Straße geplant. Es ist nach dem Einheimischenmodell erwünscht, dass hier Familien bauen. Sind diese möglichen neuen Kinder bereits in der Planung für die künftigen Jahre drin?

Seit 2021 ist der Landkreis für die Planung zuständig. Diese wird aktuell erstellt, zu der wir dann unsere Stellungnahme abgeben werden. In die stadteigene Planung für die kommenden zehn Jahre nehmen wir selbstverständlich alle aktuell geplanten Baugebiete auf.

Wie absehbar ist es, dass in den nächsten Jahren auch die Löwenzahn Grundschule an ihre Grenzen stößt – auch vor dem Hintergrund einer möglichen Gemeinschaftsunterkunft in Hohenschöpping?

Wir haben die Löwenzahn Grundschule gerade um einen hochmodernen Anbau erweitert und 6,5 Millionen Euro in diese Schule investiert, sodass diese nun auch regulär jedes Jahr drei- statt wie bisher zweizügig starten kann. Das ist nach den bisherigen Hochrechnungen ausreichend für die aktuell zu erwartenden Kinderzahlen in Velten. Wir gehen von einem Anstieg der Schülerzahlen um rund 8 Prozent bis 2030 aus. Damit steigen die Schülerzahlen schätzungsweise um 60 Kinder. Die Löwenzahn Grundschule verfügt mit dem Erweiterungsbau um genügend Platz, um diese Kinder aufnehmen zu können. Da wir noch nicht wissen, ob und wie viele Kinder aus einer Flüchtlingsunterkunft Veltener Grundschulen besuchen würden, lässt sich hier kaum eine Hochrechnung machen. Tendenziell stehen aber eher in der Löwenzahn als in der Linden-Grundschule zusätzliche Plätze zur Verfügung.

Velten hat sich Familienfreundlichkeit groß auf die Agenda geschrieben. Nun lief es aus Elternsicht in diesem Jahr nicht so rund wie es der eigene Anspruch erwarten lässt. Lässt die Stadt nach beim Thema Familienfreundlichkeit?

Nein, Velten arbeitet seit Jahren hart und erfolgreich an der Familienfreundlichkeit – und dabei werden wir auch nicht nachlassen. Auch wenn wir uns in diesem Jahr eine stabilere Personallage in den Kitas und Horten gewünscht hätten und nicht alles reibungslos lief. Hier werden wir am Ball bleiben. Und auf ganz vielen Ebenen haben wir schon viel geschafft und unterstützen schon heute die Veltener Familien über unseren hoheitlichen Auftrag hinaus. Schul- und Kitaneubauten oder die Sanierung der Oase und des Skaters fallen einem da zwar sofort ein. Aber wir bieten auch zahlreiche schöne Spielplätze und Veranstaltungen für Kinder – etwa das Familienfest oder das Kinderfilmfest. Familien erhalten ein Willkommenspaket und können Babybaumpatenschaften übernehmen. Wir arbeiten aber auch hinter den Kulissen intensiv daran, Familien bestmögliche Bedingungen vor Ort zu bieten, etwa mit unseren Schulsozialarbeiterinnen. Besser können wir natürlich immer werden.

Bild vergrößern: Jennifer Collin-Feeder, stellvertretende Bürgermeisterin und Fachbereichsleiterin Soziales und Bürgerservice der Stadt Velten. © Andreas Tauber
Jennifer Collin-Feeder, stellvertretende Bürgermeisterin und Fachbereichsleiterin Soziales und Bürgerservice der Stadt Velten.